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Was bedeutet schon Alltag?

Ungefähr 10.000 km von Zuhause entfernt, knapp 117 km nördlich des Äquators und circa 2 Kilometer über dem Meeresspiegel, in der Stadt Ibarra, in Ecuador, beginnt sich nach nun drei Monaten so etwas wie ein Alltag für mich einzustellen. Ein Arbeitsalltag, ein Freizeitprogramm, ein Reiserhythmus. Es ist ein anderes Gefühl, dass ich noch vor zwölf Wochen am Anfang meines Freiwilligendienstes hatte. Am Anfang etwas Neuem, was ebenso aufregend und chancenbergend wie anstrengend sein kann. Mittlerweile passiert nicht mehr jeden Tag etwas Neues, aber durch das Vertrauen, das ich langsam in den Kindern, der WG und dem Land finde, meistens etwas Schönes. Meine Eindrücke und Einstellungen haben sich innerhalb dieses ersten Drittels stetig entwickelt und geduldig wurde mit der Zeit deutlich, von wie vielen Seiten man auf Dinge schauen kann…

 

Die wenig-Verantwortung-tragen-könnende Freiwillige und eine liebe Freundin.

Die erste Zeit in den Casas wurde von Beobachtung, Lernbereitschaft und Unsicherheit begleitet. Ich war mir zunächst nicht sicher, was von mir erwartet wurde und wie ich meine Rolle als Freiwillige ausleben sollte. Besonders dem Anspruch, den ich an mich selbst hatte, nämlich mich aufmerksam und initiativ zu zeigen, war es zu Beginn aufgrund mangelnder Kenntnisse über den Tagesablauf und fehlender Spanischvokabeln schwierig gerecht zu werden. Hinzu kam, dass jede Educadora den Tag etwas anders gestaltet und auch die Kinder sich anders verhalten. Bei einer der Educadoras darf das Spielzeug aus dem Spielraum genommen werden und bei einer anderen soll am besten keine Unordnung entstehen. Die eine sieht mich gerne beschäftigt, wenn nicht mit den Kindern, dann beim Aufräumen, die nächste sagt mir, dass ich mich für eine Pause zu den Kindern vor den Fernseher setzen solle. Je mehr ich mich von den Educadoras beobachtet gefühlt gelassen habe, desto anstrengender empfand ich die Arbeitszeit. Ausschließlich Anweisungen zu bekommen, was ich machen und wo ich helfen könne, sprich in der ausführenden Position zu sein und die simplen Dinge zu erledigen, die in der Gesamtheit des Tages zwar sicher auch ihren Dienst leisten, hat mir das Gefühl gegeben, gar nichts hinterlassen zu können und wenig präsent zu sein. Seitdem ich aber zum Beispiel weiß, dass die Kinder zwischen 17 und 18 Uhr gebadet werden, wo die Schlafanzüge und Handtücher und die Windeln liegen und gleichzeitig sicher genug bin, die Kinder überfröhlich zu irgendeiner Aktivität zu motivieren versuche oder mich zu ihnen setzte, um Karten zu spielen oder zu quatschen, macht es viel mehr Spaß. Wegen unserer Visumsbestätigung und der Coronainfektion waren wir für etwa drei Wochen immer wieder aus dem Arbeitsalltag gerissen worden, was dem Prozess des beidseitigen Vertrauen-Fassens verlangsamt hatte. Die letzten drei Wochen, die ich ununterbrochen dort war, haben sowohl mein Spanisch als auch die Beziehungen zu den Kindern gestärkt. In einigen Momenten schaffe ich es nun, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die Kleinen geduscht und umgezogen werden, alle die Zähne putzen oder ein Kind von der Schule abzuholen. Das klingt nach winzigen Kleinigkeiten, aber es macht sie besonders, dass sie mir nicht aufgetragen wurden, sondern ich genügend Sicherheit über den Tagesablauf hatte, dass ich sie selbst initiieren konnte. In solchen Momenten habe ich das Gefühl, wirklich unterstützen zu können. Genauso schön sind einige Gespräche mit den Kindern. Zum Beispiel mit der etwas schüchternen Rosita, die mir manchmal auch nur zuhört und mich „loca“ (Verrückte) nennt, wenn ich etwas für ihre zurückhaltende Art zu Auffälliges mache. Und als sie alle Inseln des Galápagos Archipels aufgeschrieben hat, obwohl sie nicht gut alleine schreiben kann und es schon garnicht gerne macht, war ich sehr stolz auf sie. An einem anderen Tag habe ich Gesichtsmasken mitgebracht und mit Gurkenscheiben auf den Augen, entspannter Musik im Hintergrund und dem italienischen Freiwilligen Alberto, der sich um die hypnotisierende Traumgeschichte bemüht hat, lagen wir zusammen auf dem Boden. Wie im Bilderbuch war es auch, als Nena, der Hund des Hauses, Rosita und mich bis zur Schule von Camila begleitet hat, um sich auf der Rückfahrt in den Bus zu schmuggeln, um wieder mit nach Hause kommen zu können. Es gibt immer noch Momente, in denen ich keine Ahnung habe, was und wie ich etwas zu machen habe und mit drei anderen Freiwilligen, die im Spanischen noch sicherer sind als ich es bin, wurde mir zunächst wenig zugetraut. Aber wir lernen uns kennen und werden vertrauter und in der letzten Woche bin ich jeden Tag gerne hingegangen.

 

Eine Schülerin und (eine) Vertraute in der Fremde.

Vor allem in den ersten Monaten habe ich mich oft dabei entdeckt, wie ich viele Gespräche mit ecuadorianischen Leuten mit den Worten „was?, warum? und wohin?“ begonnen habe: Was sind diese Blechbehälter auf den Straßen, aus denen dieser unangenehm riechende Rauch aufsteigt? Was sind die besten Ausflugsziele in Imbabura? Und das ecuadorianische Wort für „einen-Kater-haben“ ist wirklich chuchaqui? Warum haben die Häuser so selten Dächer? Wie kommen wir zu der Bushaltestelle, von der aus wir zur Laguna Roja gelangen? Wie tanzt man beim Salsa nochmal den Dile que no? Ich war oft in der Position, in der ich zugehört habe und mir etwas über das Land, die Leute, die Sprache erzählen lassen wollte. Auf diese Art zu lernen habe ich sehr genossen. Lernen tue ich auch beim Spanisch-Unterricht, den wir uns wöchentlich individuell festlegen dürfen. Trotz der Nachfragen über das Land, das Lernen der Sprache und das Arbeiten in den Casas, habe ich nicht das Gefühl, mitten in Ecuador zu leben. Es kommt mir nicht immer so vor, als wäre ich 10.000 km von Zuhause entfernt, knapp 117 km nördlich des Äquators und circa 2 Kilometer über dem Meeresspiegel: als wäre ich in kompletter Fremde. Ich glaube, das liegt zum einen daran, dass es hier trotz der wohl existenten sprachlichen, kulturellen, geographischen, kulinarischen Unterschiede doch nicht unbedingt eine „ganz andere Welt“ ist. Bestimmt ist es auch so, dass sie mir nach den drei Monaten weniger fremd erscheint und durch den sich hier aufbauenden Alltag temporär zu „meiner Welt“ geworden ist. Zum anderen habe ich durch das Leben in der WG ein vertrautes Heimatsgefühl und im Schnitt bisher auch sicher noch mehr Deutsch als Spanisch gesprochen. Die vier sind Vertraute in der Fremde, die mir als eigentlich hier Fremde immer vertrauter wird. Auch wenn es, wie in jedem Alltag, mal Unstimmigkeiten gibt, haben wir auch die zehntägige Quarantäne ohne Verluste überlebt, verbringen gerne unsere Freizeit und besonders unsere Reisen miteinander. Jeden Montag bekommen wir Salsa-Unterricht, um unser Gelerntes im besten Fall drei Tage später, am Gongerstag, auf der Tanzfläche des Lokals des Gongs anzuwenden. Darüber haben wir auch einige Leute kennengelernt, mit denen wir zum Beispiel den Imbabura, den Hausberg von Ibarra, bestiegen haben.

 

Eine Abenteurerin und eine Touristin.

Drei Tage nach meiner Ankunft in Ecuador, es war die erste größere WG-Aktion, fuhren wir mit dem Bus in das Dorf Valle del Chota, das sich im 17. Jh. als Enklave verschiffter afrikanischer Sklaven formiert hatte und in dem - unseren Informationen zufolge - der ecuadorianische Fußball seinen Ursprung genommen hatte. Eine knappe Stunde lang blickten wir aus den Fenstern auf die sich vor uns erhebenden Hügel, bis der Bus hielt und der Fahrer rief, wir könnten nun aussteigen. Die Sonne brannte und im ersten Moment nach dem Ausstieg sahen wir nur Straße, nämlich einen Teil der Panamericana, und Schotterwege zu beiden Seiten. Auf den zweiten Blick entdeckten wir gegenüber von uns einen kleinen Laden. Aber mehr war dort auch nicht. Ein bisschen gestrandet, deckten wir uns mit Getränken und Brötchen in der Tienda ein. Die Verkäuferin stellte sich als sowas wie eine Kulturbeauftragte für ihr Dorf vor und war höchstmotiviert, uns herumzuführen. Wir wurden zu einem Fußballplatz gebracht, wo sich die Jungs den älteren Trainierenden anschlossen, während ich versuchte, den Fußball hochzuhalten, der mir im nächsten Moment von drei kleinen Kindern abgenommen wurde. Sie waren sofort offen und sehr daran interessiert, sich von mir fangen zu lassen und meine Sonnencreme auszuprobieren. Dann wurde uns der typische Tanz des Dorfes gezeigt. Man setzt sich eine mit Wasser gefüllte Flasche auf den Kopf, die balanciert wird, während gleichzeitig die Hüften geschwungen werden. Das Schöne war, dass uns wirklich gar nichts unangenehm gewesen ist. Der Reiz war, es auszuprobieren, und die Gemeinde freute sich, dass wir es mit einer solchen Freude versuchten. Auf dem Rückweg war der Bus so voll, dass mir ein Platz auf einer kleinen Erhöhung hinter dem Sitz des wild überholenden Fahrers angeboten wurde. Es dämmerte langsam und die Städtelichter zu den Seiten der Panamericana wurden sichtbar. An diesem Tag fühlten wir uns wirklich wie in einer komplett anderen Welt und ich mich wie eine Abenteurerin, die ein neues Land für sich entdeckt. Dieses Gefühl von Entdeckungslust und Begeisterungsfähigkeit hat mich auch auf allen weiteren Ausflügen und Reisen begleitet. Zum Beispiel waren wir in dem Nebelwald Mindo, wo wir mit einer Schwebebahn über ein Tal geflogen sind, aus dem Nebelwolken emporstiegen. Zwischen den großen Blättern erhaschten wir einen Blick auf brummende Kolibris, während wir auf einem Trampelpfad an Wasserfällen vorbeiliefen. Einmal ließen wir uns selbst ins Wasser fallen, aber keinem gelang es, gegen die Kraft der herunterströmenden Wassermassen anzuschwimmen. Am Strand in Atacames spielten wir mit einer Gruppe von Ecuadorianerinnen und Ecuadorianern Fußball. Es war sehr schön zu beobachten, wie sie nach der Partie, alle verschwitzt, versandet und noch vollgekleidet, zu fünfzehnt ins Wasser rannten, bevor es dann in die nächste Runde ging. An dem Kratersee Cuicocha entdeckten wir bei der Rundfahrt mit einem kleinen Boot aufsteigende Gasblasen, die beweisen, dass der darunter schlummernde Vulkan noch aktiv ist...Diese Momente auf den Reisen, in denen Kontakt mit den Menschen oder der Natur besteht, finde ich am aufregendsten. Touristisch erschlossene Orte, wie Mindo oder auch Baños, in denen auf der Hauptstraße jeder zweite Laden ein Touristenbüro ist und mit Aktivitäten, wie Rafting, Canopying oder Klettern lockt, sind landschaftlich zwar ähnlich schön und mit ihren Angeboten reizvoll. Aber es fühlt sich mehr nach Urlaub und Tourist-Sein an, als nach Reisen und Abenteurerin-Sein. Wenn ich jetzt ein Ticket zurück nach Deutschland hätte, würde ich es verfallen lassen. Am Anfang hat uns in der aufregenden Eingewöhnungszeit manchmal ein Alltag gefehlt. Auf der anderen Seite haben wir es genossen, dass wir keinen hatten. Oder dass er anders als in Deutschland war. Oder dass er so aussah, dass wir unter der Woche gearbeitet haben und an den Wochenenden mit unseren Reiserucksäcken, der mal Bikini, mal Wanderschuhe enthielt, durchs Land gefahren sind. Wenn ich jetzt an das Ticket nach Deutschland für Ende August denke, dann freue ich mich auf die Leute, denen ich all diese Erlebnisse erzählen kann. Aber bis dahin wünsche ich mir, eine Freundin für die Kinder zu werden und zu sein, aus vielen Perspektiven die guten und schlechten Seiten von Ecuador kennenzulernen und einen abenteuerlichen Alltag.

 

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