Semana Santa
Da in Ecuador über 90 Prozent christlich sind und davon 80 Prozent katholisch, wird die Woche vor Ostern, hier Semana Santa genannt, mit verschiedenen Prozessionen und Gottesdiensten gefeiert. Hier in Quito gibt es während dieser Woche verschiedene Umzüge in der historischen Altstadt. Am Karfreitag war ich mit zwei anderen Freiwilligen bei der bekanntesten Prozession, Jesus del Gran Poder. Das religiöse Ritual ist ein Straßenumzug voller Farben und Klänge. Tausende von Gemeindemitgliedern ziehen mit Kreuzen und Marien Bildern in der Hand durch die Straßen des historischen Zentrums, während Hunderttausende zuschauen und teilweise Rosenblätter in die Luft werfen.
Lila und schwarz gekleidete Cucuruchos und verschleierte Verónicas gehen auf die Straße, von Kopf bis Fuß in langen Roben und spitzen Hüten gekleidet. Die Cucurchos marschieren als Buße barfuß, und die Schleier der Verónicas huldigen der Frau, die Christus vom Kreuz ausgeholfen hat. Die Geschichte besagt, dass sie Jesus Gesicht mit ihrem Schleier abgewischt hat, während sie ihm geholfen hat, einen Ruheplatz zu finden.
Ein traditionelles Essen während der Osterwoche ist Fanesca, eine Suppe aus Zutaten für die Fastenzeit ohne Fleisch. Es wird aus 12 Bohnen und Körnern, Kabeljau, Kartoffeln, Erdnüssen und Eiern hergestellt - unter anderem Gemüse wie Butternusskürbis, Zwiebeln und Kohl. Die Überlieferung besagt, dass die 12 Bohnen und Körner die zwölf Apostel darstellen und dass der Fisch Christus darstellt. Während dies so sein mag, denken viele, dass es ein weiterer Fall des Katholizismus ist, der Erntefeiern der indigenen Kulturen, die vor den Spaniern stattfanden, in die heutigen religiösen Traditionen einführt.
Auch bei unserer Arbeit haben wir uns auf Ostern eingestellt, jeden Morgen gab es einen Teil der Ostergeschichte, der vorgelesen wurde, ein paar der Kinder haben sich verkleidet und spielten die Geschichte nach, so können auch alle Kinder die Ostergeschichte begreifen.
Ebenfalls an der Arbeit habe ich ein kleines Chor-Projekt gestartet, ich singe jetzt jeden Dienstag vor der Bibelstunde mit den Kindern ein spanisches Kinderkirchenlied. Das macht nicht nur mir Freude, sondern vor allem den Kindern. Auch wenn es eine Herausforderung ist, da die Kinder ihre ganz eigenen Melodien und Tonlagen haben und ich beim Begleiten auf dem Klavier an meine Grenzen stoße, aber genau das macht es aus, denn in diesem Moment können alle mitmachen und teilhaben. Es geht mehr um das zusammen singen als um musikalische Perfektion. Vor allem im Vergleich zur normalen Arbeit, denn dort wird von den Kindern exaktes Arbeiten verlangt und sehr auf Details geachtet.
Kaum zu glauben, aber tatsächlich liegen nur noch zwei Bibelstunden und damit nur noch zwei Mal singen mit den Kindern vor mir. Aktuell rennt förmlich die Zeit. Denn zum Juni findet der letzte Wechsel satt, ab dann werde ich dann nur noch im Casa Hogar, dem Wohnheim der Kinder arbeiten. Es beginnt jetzt die Zeit der „letzten Male“.
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht wie ich dazu stehe. Auf der einen Seite freue ich mich auf das zurückkommen und auf alles was mich in Deutschland dann erwarten wird - auf neue Herausforderungen, ein ganz anderes Arbeiten und einen anderen Alltag.
Auf der anderen Seite habe ich mein Leben hier sehr liebgewonnen, die vielen schönen Momente, die Bindung zu den Kindern und das vielfältige Land Ecuador. All dies sind Sachen, die ich sehr ins Herz geschlossen habe und bei denen ich mir sicher bin, dass ich sie vermissen werde.
Es gibt jetzt schon Momente in denen mir immer stärker bewusst wird, dass die begrenzte Zeit, die wir hier in Ecuador haben sich nun langsam dem Ende zuneigt. Natürlich fängt alles einmal an und muss auch immer irgendwann wieder aufhören, damit etwas Neues anfangen kann. Dieser Gedanke kann einen zwar trösten, aber macht den Gedanken an die letzte Zeit auch nicht unbedingt leichter. Trotz alledem freue ich mich auf alles was mich in den kommenden 3 Monaten noch erwartet. Ich freue mich auf viele intensive und schöne Momente mit den Kindern, mit den ich mittlerweile eine enge Bindung aufgebaut habe. Die enge Bindung erkenn man vor allem daran, wie gut ich mittlerweile die Eigenheiten und Vorlieben der Kinder kenne, und wie viel Vertrauen mir die Kinder entgegen bringen.
Ebenfalls freue ich mich natürlich auf Ausflüge, die jetzt noch anstehen und dann auch wieder auf Deutschland und alles was dann folgen wird.
Lieben Gruß aus Quito